Was es bedeutet, eine Pink Pocahontas zu sein

Als Pink Pocahontas bin ich in diesem Jahr das erste Mal auf dem Weg zum Salbker See II zu einem Training für den vierten Benefiz-Drachenboot-Cup. Der warme Sommerwind weht mir um die Nase und kleine Fliegen ins Gesicht. Sie fliegen so wild umher wie meine Gedanken und Fragen. Wie wird das Training? Wie sind die anderen Charity-Paddler*innen und was genau macht eigentlich eine Pink Pocahontas aus?

 

Angekommen stelle ich mein Fahrrad ab und mein Blick wird abgelenkt von einer Trauerweide. Unweigerlich muss ich als neue Pink Pocahontas an Großmutter Weide denken aus dem Film, in dem es um unsere Namensgeberin geht. Sie gab Pocahontas einen wichtigen Rat, indem sie sang: „Lausche mit dem Herz. Dann wirst du verstehen.“ Noch heute ist es eines meiner Lieblingszitate und dass das Benefiz-Drachenboot-Rennen eine Herzensangelegenheit für uns, die Pink Pocahontas ist, ist klar.

 Zwei Kinder, die um die Wette laufen, rennen an mir vorbei und reißen mich aus meinen Gedanken. Es sind zwei Kinder der Paddler*innen, die heute zum Training mitgekommen sind, um ihre Eltern und Großeltern anzufeuern. Es sind zwei – ohne Frage – süße Kinder und ihnen scheint es an nichts zu fehlen. Doch das ist leider nicht die Regel, denn 20 Prozent der Kinder in Deutschland leben in Armut. Jedes fünfte Kind kann nicht so unbeschwert durchs Leben gehen, wie diese beiden.

Manchmal kommt es mir so vor, als ob dies zwei ganz unterschiedliche Welten sind. Jeder fühlt sich in seiner am wohlsten und über den Horizont zu schauen, fällt vielen Menschen schwer. Pocahontas ist für mich nicht nur eine starke Frau, sondern jemand, der zwei Welten vereint. Sie ist jemand, der Augen öffnet. Sie ist eine Kämpferin, eine Kämpferin gegen Ungerechtigkeit. So sind wir, die Pink Pocahontas, starke Kämpferinnen gegen die Ungerechtigkeit der Kinderarmut. Wir setzen uns für gleiche Chancen auf Bildung und Gesundheit für alle Kinder ein. Wir wollen Augen öffnen, Horizonte erweitern, Menschen für das Thema Kinderarmut sensibilisieren. Wir wollen bewegen und wir wollen verändern. Hinter den pinken Shirts, dem tollen Logo und dem Namen steckt mehr als die gute Laune, die man auf den ersten Blick sieht. Dahinter steckt Kraft und ein starker Wille.

Von einem lauten „Achtung! Boot rollt.“ werde ich wachgerüttelt. Die beiden Drachenboote für das heutige Training werden an mir vorbei gerollt und zu Wasser gelassen. Klar ist mir jetzt noch mehr, wofür dieses pinke Shirt steht, das ich tragen darf. Die zwei Teams, die heute zum Training gekommen sind, lassen sich von unserer Power anstecken. Jede*r schnappt sich ein Paddel und los geht’s. Jetzt zählen Engagement, Teamgeist und Durchhalten. Eine Stunde wird trainiert.

Als die Paddler*innen einsteigen, strahlen alle noch übers ganze Gesicht. Schließlich werden sie ordentlich angefeuert. Dann geht es los. Zuerst wird rückwärts gepaddelt vom Steg weg. Ein Trainer steht hinten im Boot, treibt die Paddler*innen an und gibt viele Tipps. Ich schaue mir das ganze heute lieber noch aus der Ferne an und paddle nicht mit. Die Boote bewegen sich erst einmal aus unserem Blickfeld, doch jedes Mal, wenn sie an den Zuschauerbänken vorbeipaddeln, feuern wir mit den kleinen Fans ordentlich an.

Und so vergeht eine Stunde wie im Flug. Schon kehren sie zurück – jetzt mit erschöpften, aber glücklichen Gesichtern. Einige fassen sich an ihren Arm, der das Paddel hielt, und scherzen, dass sie befürchten, dass der Muskelkater bis zum 28. Juli anhalten könnte. Als alle aus dem Drachenboot gestiegen sind, sehe ich ein wenig Stolz in ihren Gesichtern. Sie werden von uns empfangen in unseren pinken Shirts. Mit diesen erinnern wir daran, dass wir gemeinsam für Kinder kämpfen, die in Armut leben müssen und dagegen, dass die Herkunft in Deutschland über den Lebensweg entscheidet.

Ein Wassertropfen fällt auf meine Schulter und es tröpfelt kurz. In diesem warmen Sommer stehen heute graue Wolken am Himmel. Das Training hat gezeigt: Um ans Ziel zu kommen, brauchen wir Engagement, Begeisterung und Teamgeist. Gemeinsam können wir viel erreichen. Gemeinsam können wir verändern. Ein starker Wind kommt auf und vertreibt die Regenwolken und wieder muss ich an Großmutter Weide denken und kann hören, wie sie singt: „Lausche mit dem Herz. Dann wirst du verstehen.“